Reise in andere Welten

11.06.2019 - Lauterbacher Anzeiger

Von Linda Buchhammer

Ensemble Trigon gestaltet gelungenes Auftaktkonzert der Pfingstmusiktage

LAUTERBACH. Geistliche und weltliche Musik, Kompositionen der Musikgeschichte und Gegenwart, Tradition und Experimentierfreude, Persönlichkeit und Ausdruckstärke – gepaart mit Musikerinnen und Musikern aus vieler Herren Länder und harmonisch vereint unter den Geschicken von Lauterbachs Kirchenmusikerin Claudia Regel: Zum 47. Mal in Folge gereichten die Lauterbacher Pfingstmusiktage in den vergangenen Tagen zu konzertanten Erlebnissen der Extraklasse.

Zum Auftakt gastierte das Ensemble Trigon in der evangelischen Kirche Frischborn und begeisterte sein Publikum mit poetischen Klangsphären und Tonmalereien aus Deutschland, England und Skandinavien. Unter dem Titel „Unter den Linden“ – dem wohl berühmtesten Liebeslied aus der Feder Walther von der Vogelweides – widmeten sich die Ausnahmemusiker Katrin Knauß, Kerstin de Witt und Holger Schäfer alten überlieferten Volksmelodien und Tänzen des epochalen Barocks.

Wandelbar wie das Farbenspiel in der Natur gelang es dem Trio, die Konzertbesucher in der gut besuchten Dorfkirche des Lauterbacher Ortsteils schon in den ersten Minuten um Jahrhunderte zurückzuversetzen in die Zeit des Mittelalters. Ob lieblich verspielt, beflügelnd leicht, in Demut, voller Temperament und Energie, bis hin zu spannungsgeladen-gruselig – das Trio verstand sein Handwerk. Es spielte sich mit brillanter Begabung im Zusammenspiel von Blockflöten aus unterschiedlichen historischen Epochen, einer keltischen Harfe, einem Cembalo, einer Barockvioline und letztlich der reizvollen Stimme des mehrfach ausgezeichneten Minnesängers Holger Schäfer in die Herzen seiner Zuhörer.

Mit Sachverstand, Musikalität und Feingefühl befreiten die Künstler ihre jahrhundertealte Lyrik und Kompositionen von den muffigen Staubschichten eines lange vergangenen Zeitalters. Transponierten mit neuzeitlichen Vorzeichen die Musikstücke in eigene Vertonungen und präsentierten mit vollem Körpereinsatz eingängige Tonbilder eines schier unergründlichen Schöpfungsgeistes einer zeitlos „anspruchsvollen Volksmusik“. Für gut zwei Stunden standen im Altarraum drei Individualisten, die – souverän aufeinander abgestimmt – in zwei Programmteilen zwischen schwindelerregenden Tempi und langsam schwebender Melancholie mit wahrer Spielfreude und locker scheinendem Musikhändchen zauberhafte Anekdoten, Märchen und Geschichten erzählten.

„Mich hât ein halm gemachet frô: er giht, ich sül genâde vinden. Ich maz daz selbe kleine strô, als ich hie vor gesach von kinden“ (Mich hat ein Strohhalm froh gemacht: er sagt, dass ich Erhörung finde. Ich maß den Halm auf solche Art, wie ich’s bei Kindern hab gesehen), entzückte das Ensemble beispielsweise mit schelmischen Tönen des altdeutschen „Halmorakels“, derweil sich Lady Cathrine Ogle bei einem kleinen Tänzchen in Großbritannien eher elegant beschwingt auf dem höfischen Parkett bewegte. Demgegenüber versprühten die Lieder aus Skandinavien den nordischen Klangwind mit traditionellen Einfärbungen und versetzten anwesende Romantiker unweigerlich in die verträumte Stimmungslage des faszinierenden Landes.

Spätestens bei den englischen Stücken verwandelte sich der Konzertort bei geschlossenen Augen in ein verwunschenes Landgut auf der „Grünen Insel“ Irland mit all seinen Schönheiten und mystischen Geheimnissen. Kein Wunder also, dass Katrin Knauß, Kerstin de Witt und Holger Schäfer auch eine schaurig-schöne Vertonung im Gepäck hatten – die Geschichte „Twa Corbies“. Von zwei Raben, die sich einen erschlagenen Ritter zum Festmahl einverleiben wollten.

Zum Abschluss des Konzertes wählte das Ensemble Antonio Vivaldis Sonate XII „La Follia“. Ein ergreifendes Stück mit fulminanten Sätzen, welches noch einmal auf vielschichte Weise die Perfektion des Künstlertrios offenbarte. Schlichtweg begeistert ließ das applaudierende Publikum nicht von ab, dem Zauber der sympathisch auftretenden Vollblutmusiker in weiteren Zugaben zu erliegen.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Reise in andere Welten", 11.06.2019

Foto: Buchhammer

Zurück