Lauterbacher Orgel groovt

09.03.2020 - Lauterbacher Anzeiger

Von Karen Liller

Lauterbacher Orgel groovt

LAUTERBACH. Nicht mehr wegzudenken aus dem Kulturleben Lauterbachs sind die Chor- und Orgelkonzerte von Kirchenmusikerin Claudia Regel. Mit einem feinen Talent für Programmgestaltung und außergewöhnlich guten Darbietungen erfreut sie regelmäßig ihr Publikum. Diesmal hatte sie zu einem sakralen Orgelkonzert in die stimmungsvoll beleuchtete Stadtkirche eingeladen, zu dem am Samstagabend rund 50 Zuhörer gekommen waren.

Die Organistin gab zunächst einige kurze Erläuterungen zu den Werken des Abends. Das Orgelkonzert begann klanglich abwechslungsreich mit Vincent Lübecks Präludium in E-Dur. Claudia Regel hatte erklärt, dass sich ein Präludium damals aus mehreren Teilen zusammensetzte. Im Fall des Präludiums in E-Dur waren das zwei Fugen, die durch einen verspielten Zwischenteil getrennt sind, der überraschend zart wie frühlingshaftes Vogelgezwitscher den Kirchenraum füllte. Es folgten sieben Variationen von "Ach wie nichtig, ach wie flüchtig". Komponist Georg Böhm nahm dafür die Harmonien des Choralsatzes von Johann Sebastian Bach als Grundlage, der als Jugendlicher Böhms Orgelschüler im Kloster St. Michaelis bei Lüneburg war. Sowohl Lübeck als auch Böhm gehörten zur sogenannten Norddeutschen Orgelschule, die im 17. und 18. Jahrhundert ihre große Blüte hatte. Beide Werke hatte Claudia Regel so ausgewählt, dass das Lauterbacher Publikum die unterschiedlichsten Klangfarben ihrer Kirchenorgel genießen konnte.

Mit dem Werk "Gammal fäbodpsalm från Dalarna" von Oskar Lindberg folgte ein zeitlicher Sprung ins 20. Jahrhundert. Das traditionelle schwedische Lied begann eher düster und traurig, bestach dann aber nach und nach mit seiner einzigartig schönen Melodie. Dass die nicht nur auf der Kirchenorgel gut rüberkommt fand auch die Band ABBA, die das Lied hin und wieder als instrumentale Einlage gespielt hat.

Die dann folgenden drei Choralbearbeitungen von Bach vertonten einen Kyrie-Gesang aus Naumburg. Claudia Regel hatte die Melodien auf der Rückseite des Programms abgedruckt, sodass Musikinteressierte versuchen konnten, aus dem klanglich dichten und virtuosen Orgelwerk die Solostimmen herauszuhören. Sie erklärte außerdem, dass Bach jeder der drei "Personen" ein eigenes Stück widmete: Bei "Gott Vater", der über allem thront, erklang der Cantus firmus in langen Notenwerten im Sopran. Jesus Christus hat als Mensch mitten unter uns gelebt, also ertönte die Melodie im Tenor. Beim Heiligen Geist dagegen lag die Melodie im Bass. Möglicherweise symbolisieren die tiefen Töne, die zuweilen nicht nur mächtig, sondern sogar bedrohlich wirkten, dass der Heilige Geist das Fundament des Glaubens ist.

Romantisch und harmonisch ging es mit Max Regers Benedictus weiter, bei dem die Melodie ganz leise von oben herabstieg. Tröstlich und besänftigend fand sie das Ohr der Zuhörer, die bei diesem Werk schon mal genießerisch die Augen schlossen. Der Mittelteil dagegen baute sich auf bis zum Forte, das so energisch wachrüttelte, dass wirklich niemand den immer mächtiger werdenden Lobruf "Hosanna in excelsis" verpasste.

Zuletzt hatte die Organistin aus ihrem breiten Repertoire einen Choral in a-Moll von César Franck ausgewählt, den sie in Lauterbach noch nie gespielt hat - eine Premiere sozusagen. Die Melodie basiert nicht auf einem liturgischen Hymnus, sondern wurde vom Komponisten selbst erfunden. Mit der imposanten und eigenwilligen Schöpfung zeigte die Musikerin ihr ganzes Können: Eine toccatenartige Einleitung, reichlich Dramatik, sehr lebhafte Sechzehntelbewegungen, gebrochene Dreiklänge, mal virtuos, mal klangvoll aufeinandergeschichtet, ein ausdrucksstarkes "Adagio" und zuletzt noch einmal der Choral in voller Kraft, absolut triumphal im Fortissimo. Das erntete reichlich Applaus, der Claudia Regel zu einer Zugabe motivierte.

Ein Swing von Michael Schütz bewies, dass eine Orgel sogar grooven kann, brachte das Publikum dazu, im Rhythmus mitzuklatschen und machte direkt Lust auf das nächste Orgelkonzert dieser Art.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Lauterbacher Orgel groovt", 09.03.2020 [zum Artikel]

Foto: Liller

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