Beethoven in der Lauterbacher Stadtkirche

08.09.2020 - Lauterbacher Anzeiger

Beethoven in der Lauterbacher Stadtkirche

LAUTERBACH (eig). Das Jahr 2020 ist bekanntermaßen das Jahr von Corona geworden. Doch es sollte eigentlich auch im Zeichen eines großen Jubiläums stehen: Vor 250 Jahren wurde in Bonn Ludwig van Beethoven (1770-1827) geboren. Ihm zu Ehren gibt es aber dennoch vielerorts Veranstaltungen, wenn auch nicht in Ausmaß und Form wie ursprünglich geplant - und obendrein ist das Feierjahr sogar offiziell bis zum Herbst 2021 verlängert worden. In Lauterbach erwies am Sonntagabend ein Konzert in der Stadtkirche dem Superstar der klassischen Musik und seinen kaum weniger berühmten Zeitgenossen Joseph Haydn und Franz Schubert die gebührende Referenz.

Unter dem Titel "Rund um Beethoven - Glanzlichter der Wiener Klassik und Frühromantik" hatte die evangelische Kirchengemeinde Lauterbach eingeladen und durfte sich unter Corona-Bedingungen über zahlreiche Besucher und Besucherinnen freuen. Für die musikalische Qualität bürgte von vornherein das Römerberg-Quartett aus Frankfurt am Main mit seinen vier Ensemblemitgliedern Michael Hahn (Violine), Andrea Seeger (Violine), Hildegard Singer (Viola) und Ruth Sarrazin (Cello). Insbesondere Michael Hahn ist als rühriges Mitglied des Kulturvereins Landenhausen und Initiator der Wartenberger Winterkonzerte den Vogelsberger Klassikfans kein Unbekannter mehr.

Sowohl musikalisches Vorbild von Ludwig van Beethoven als auch dessen Lehrer war Joseph Haydn (1732-1809), der zudem als "Vater des Streichquartetts" gilt. Je nach Zählung hat er 68 oder 83 Werke dieser Gattung komponiert. Darunter im Alter von 60 Jahren auch das Quartett in g-Moll Op. 74 Nr. 3, welches sich das Römerberg-Quartett als ersten Beitrag für sein Konzert ausgewählt hatte. Es wird gerne auch "Reiterquartett" genannt - und wer im ersten und vor allem im letzten der vier Sätze genauer hin hörte, verstand auch, warum. Die prägnanten Rhythmen erinnern nämlich an galoppierende Pferde.

Nur 31 Jahre alt wurde Franz Schubert (1797-1828), der im Verlauf seines Lebens aber doch zu einer ganz eigenen und angesichts physischer und psychischer Leiden oft melancholischen Tonsprache fand und ein imponierendes Werk von rund 600 Liedern hinterließ. Dazu zählen immerhin 15 Streichquartette. Keines davon wurde zu Franz Schuberts Lebzeiten jemals öffentlich aufgeführt - mit einer einzigen Ausnahme: Das Quartett in a-Moll op. 29. In der Welt der Musik wird es gemeinhin "Rosamunde" genannt, da Franz Schubert im zweiten Satz ein Thema aus seiner gleichnamigen Bühnenmusik variierte. Von der Art und Weise, wie Schubert hier mit wenigen Tönen die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer fesselte und unmittelbar in die Stimmung seiner Musik hineinzog, konnte sich auch das Publikum in der Stadtkirche überzeugen.

Als Beitrag nach der Pause hatte sich das Römerberg-Quartett für das sechste der frühen Streichquartette von Ludwig van Beethoven entschieden, das Quartett in B-Dur Op. 18 Nr. 6. Dieses Werk zeigte sehr gut die musikalische Entwicklung van Beethovens von der Wiener Klassik eines Haydn über romantische Einflüsse bis hin zu einer Tonsprache, die in ihrer Radikalität bereits die Musik des 20. Jahrhunderts vorweg nimmt. Die beiden ersten Sätze sind noch sehr traditionell komponiert - der dritte, eigentlich eine recht einfache Melodie, vom Komponisten hingegen mit "Fallen" in der Rhythmik gespickt, so dass er kaum den vorgegebenen Dreivierteltakt erkennen lässt. Im vierten Satz waren die extremen Stimmungsschwankungen, unter denen van Beethoven zunehmend litt, mit Händen zu greifen beziehungsweise mit Ohren zu hören. Schwermütige und heitere Passagen wechselten einander ab. Mit einem kurzen und schnellen Prestissimo schloss das Quartett ab, so als ob das exzentrische Genie laut und deutlich ausrufen würde: "Schluss jetzt! Genug lamentiert."

Das war dann auch das Ende des knapp zweistündigen Musikerlebnisses in der Stadtkirche, wobei das Römerberg-Quartett den reichlichen Applaus zum Abschluss noch mit einer kleinen Zugabe belohnte.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Beethoven in der Lauterbacher Stadtkirche", 08.09.2020 [zum Artikel]

Foto: Eigner

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