Weihnachtsoratorium in Lauterbach

09.12.2019 - Lauterbacher Anzeiger

Von eig

Weihnachtsoratorium in Lauterbach

LAUTERBACH - Die Weihnachtsgeschichte gehört bei Gottesdiensten in der Adventszeit sozusagen zum Standardprogramm. Doch sie wird wohl kaum auf eine eindrucksvollere Weise erzählt als mit dem gewaltigen Weihnachtsoratorium (BWV 248) von Johann Sebastian Bach. Wenn es einmal aufgeführt wird, dann füllen sich die Kirchen, hören selbst diejenigen zu und geraten selbst Menschen in Ergriffenheit, die ansonsten kaum ein Gotteshaus betreten. So verwunderte es nicht, dass auch die Lauterbacher Stadtkirche am zweiten Adventssonntag prall gefüllt war, als sich das Bachsche Weihnachtsoratorium ankündigte. Zum ersten Mal in der Stadtkirche Lauterbach sollte die Churpfälzische Hofcapelle zu hören sein, ein Barockorchester mit historischen Instrumenten, die gemeinsam mit der Lauterbacher Kantorei und den Solisten unter der Leitung von Kantorin Claudia Regel musizierte.

Bis hinauf auf die oberste Empore hatten sich Besucher eingefunden, die sich mit diesem Meisterwerk auf die Feiertage einstimmen lassen wollten. Bachs Weihnachtsoratorium ist heute sein berühmtestes geistliches Vokalwerk überhaupt, so dass man sich kaum vorstellen kann, dass es nach seinem Tod 1750 erst einmal in Vergessenheit geriet und mehr als ein Jahrhundert nicht aufgeführt wurde. Erst 1857 wurde das Werk, das für viele Menschen heute zur Weihnachtszeit gehört wie Geschenkrausch und Glühwein, von der Berliner "Singakademie" unter ihrem Direktor Eduard Grell in verkürzter Fassung wieder aufgeführt. Was nur Bach-Kenner merken ist, dass der legendäre Komponist im Fall von etlichen Chören und Kantaten auch "gecovert" hat - bei keinem geringeren als sich selbst. Das war zu seinen Lebzeiten auch durchaus üblich, zumal Bach selbst ein äußerst vielbeschäftigter Mann war, musste er doch wöchentlich neue Kantaten schreiben, proben und aufführen. Sein Weihnachtsoratorium war erstmals in sechs Gottesdiensten 1734/35 in der Nikolaikirche und der Thomaskirche in Leipzig zu hören.

Natürlich verbietet es sich von selbst, ein solches Werk gleichsam vom Band abzuspielen, braucht es doch Musiker, die den richtigen Ton treffen, um ihm Leben zu verleihen. Hier hatte die evangelische Kirchengemeinde Lauterbach als Veranstalter eine gute Wahl getroffen. Die Churpfälzische Hofkapelle verfügte mit ihrem mehr als ein Dutzend Männer und Frauen starken Ensemble mit ihrer Spezialisierung auf die einzelnen alten Instrumente und deren Spieltechniken über die Fähigkeiten, ein Musikstück der Barockzeit authentisch spielen zu können. Dass die Aufführung obendrein vor der Kulisse der in der Barockzeit errichteten Lauterbacher Stadtkirche stattfand, fügte sich in das Bild der Authentizität gut ein. Vor diesem unverfälscht klingenden "Barocksound" der Instrumentalisten von der Bergstraße entfaltete sich dann der Gesang der Lauterbacher Kantorei. Im Konzert standen beide Formationen unter der Leitung von Dekanatskantorin Claudia Regel.

Insgesamt sechs Kantaten umfasst das Weihnachtsoratorium von Bach. Davon erklangen in der Lauterbacher Stadtkirche nicht alle, sondern "nur" vier. Eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung, denn selbst in dieser "abgespeckten" Variante bot sich noch ein zweistündiger Musikgenuss, ohne jede Pause wohlgemerkt. Zu Bachs Lebzeiten war es im Übrigen ohnehin nicht üblich, dass alle sechs Kantaten an einem Stück aufgeführt wurden. Damals brachte man die ersten drei an den Weihnachtsfeiertagen, zwei zu Neujahr und die letzte schließlich zu Dreikönig. In Lauterbach zu hören waren die Kantate Nr. 1 - sie beschreibt die Geburt Jesu - und die Kantaten Nr. 4 bis 6, die vom Fest der Beschneidung Christi, den Weisen aus dem Morgenland und dem Epiphaniasfest und König Herodes erzählen. Der feierliche Schlusschoral ähnelte in seiner Melodie dabei dem ersten Choral in der ersten Kantate, was dem Charakter eines "Gesamtkunstwerks" entspricht.

Die einzelnen Rezitative hatten dabei ihren besonderen Reiz, denn vier äußerst ausdrucksvolle Solisten wussten sie werkgetreu umzusetzen. Britta Jacobus (Alt), Andreas Karasiak (Tenor), Michael Roman (Bass) und Simone Schwark (Sopran) hoben sich hier im wahrsten Sinn des Wortes hervor, zum Teil im Zusammenspiel, zum Teil in Solopartien. Bei allen Akteuren spürte man regelrecht die sprudelnden Emotionen, die in Musik übersetzt die Geschichte der Geburt Jesu Christi erzählen. Emotionen, die sich am Ende auch beim Publikum einstellten, denn das Bewusstsein, einem großen Musikerlebnis beigewohnt zu haben, war am Ende bei allen spürbar.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Weihnachtsoratorium in Lauterbach", 09.12.2019 [zum Artikel]

Foto: Eigner

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