Klarheit, Klang und Schönheit: Lauterbacher Vokalensemble singt in der Stadtkirche

02.10.2018 - Lauterbacher Anzeiger

Von Gerhard Siegel

Die Anziehungskraft des Lauterbacher Vokalensembles wächst! Dies konnte man einmal mehr feststellen im jährlichen Konzert in der Stadtkirche Lauterbach, das von einem sehr dankbaren Publikum gut besucht war. Wer regelmäßig und aufmerksam die Konzerte des Ensembles hört, dem wird die kontinuierliche Weiterentwicklung hin zur Professionalität nicht entgangen sein.

LAUTERBACH - Die Anziehungskraft des Lauterbacher Vokalensembles wächst! Dies konnte man einmal mehr feststellen im jährlichen Konzert in der Stadtkirche Lauterbach, das von einem sehr dankbaren Publikum gut besucht war. Wer regelmäßig und aufmerksam die Konzerte des Ensembles hört, dem wird die kontinuierliche Weiterentwicklung hin zur Professionalität nicht entgangen sein. Hervorzuheben ist die Ausgewogenheit in den Stimmen, was zum Klangerlebnis wesentlich beiträgt. Dennoch sind es die Frauenstimmen, die in ihrer Klarheit und Schönheit eine gewisse Priorität genießen, was in vielen Kompositionen wohl auch gewollt ist.

Die ausgewogene Programmgestaltung ist das Verdienst von Kantorin Claudia Regel, deren präzises dynamisches Dirigat ohne jedes Pathos den Sängerinnen und Sängern Sicherheit verleiht.

Das Konzert begann mit zwei Werken von Lajos Bárdos, einem Schüler von Zoltán Kodály, der 20 Jahre lang in der berühmten Budapester Matthias-Kirche auf der "Burg" Kantor war. Kräftig und voluminös der Einstieg mit "Cantemus", in dem die Schule Kodálys deutliche Spuren zeigt und hohe dissonantische Präzision verlangt.

Neben Guerrero und Morales ist Tomas Luis da Vittoria wohl einer der bekanntesten Komponisten Spaniens in der Wende zum 17. Jahrhundert, der Renaissance also. Seine vierstimmige "Motete y Misa", von dem nur der erste Teil "O quam gloriosum est regnum" (O wie herrlich ist das Reich) gesungen wurde, erfüllte klangprächtig den ganzen Kirchenraum.

Mit Heinrich Schütz (1585-1672) folgte ein deutscher Komponist, der die Vollkommenheit der Polyphonie bei Andrea und Giovanni Gabrieli in Venedig studieren durfte. Eine winzige Unentschlossenheit im Einsatz zum sechsstimmigen "Das ist je gewisslich wahr" (SWV 388) war kaum zu bemerken. Als säße man im Markusdom, so herrlich verwoben ertönten die Stimmen, intonationsrein ohne jedwede Tonschwankung.

Von Palestrina erklang der vierstimmige Satz "Sicut cervus" (Wie der Hirsch schreit nach Wasser). Es gelang dem Ensemble, in ruhiger Ausgeglichenheit die für Palestrina typischen Klangwolken zu erzeugen, in die der Zuhörer eintaucht und sich in ihnen durchaus verlieren kann.

Einen konträren Mittelpunkt des Programms bildete der Vortrag "Wie liegt die Stadt so wüst" von Rudolf Mauersberger, eine unter dem Eindruck der Zerstörung Dresdens vom 13. Februar 1945 entstandene Komposition. Dramatik und Wucht des Vortrags erschütterten die Menschen im Kirchenschiff.

Von Johann Hermann Schein, einem der immer in einem Atemzug genannten drei großen deutschen Komponisten des 17. Jahrhunderts (Schütz, Schein, Scheidt), folgte "Ich freue mich im Herren", ein fünfstimmiger Satz für A-cappella-Chor. Klangreich vorgetragen konnte sich die Seele wahrlich wieder fröhlich fühlen.

"Pulchra es, amica mea" (Wie schön bist du, meine Freundin), so beginnt der Satz "Northern Lights" von Ola Gjeilo, dem in New York lebenden norwegischen Pianisten und Komponisten. Wer das Hohelied Salomons auf der einen, und die Faszination des Polarlichts andererseits kennt, empfindet die Seelenverwandtschaft mit Gjeilos Komposition, hier vom Vokalensemble mit großer Sensibilität und tief beeindruckend vorgetragen.

Die sechsstimmige Motette "Beati quorum via" (Selig sind, die ohne Tadel leben) vom irischen Komponisten Sir Charles Villiers Stanford bildete den herrlichen Übergang zum letzten Stück des Chorteils: "Sure on this Shining Night". Claudia Regel begleitete den Chor am Klavier. Ein eher stiller, hoffnungsvoller Satz des zeitgenössischen amerikanischen Komponisten. Ein wunderbarer Schlusspunkt in diesem rundum gelungenen Konzert. Die eine oder andere Träne war Ausdruck tiefen Angerührtseins im Publikum.

Nach langem, anhaltendem Beifall erklang, zur Freude der Konzertbesucher, die "Waldesnacht" von Johannes Brahms.

Zum Schluss muss die Rede sein von einem jungen Mann, der sich schon jetzt während seines Kirchenmusikstudiums in Heidelberg als großartiger Orgelinterpret zeigt. Vom Publikum erhielt Christian Karl aus Storndorf den spontanen Auftrag, zu den Chorälen "Ein feste Burg ist unser Gott" und "Nun danket alle Gott" freie Improvisationen an der Orgel zu gestalten, was er mit großem Einfallsreichtum unter Verwendung aller Einsatzmöglichkeiten einer Orgel zum Erstaunen des Publikums wahrlich meisterhaft demonstrierte. Fantasie und Fuge g-Moll (BWV 542) von Johann Sebastian Bach erfordert ein hohes Maß an Registrierkunst und absolutes Beherrschen der Spieltechnik. Kein Problem für Karl. Auch am Cembalo zeigte sich seine Virtuosität. Auf seine Bitte werden drei Begriffe zugerufen: "Melancholie, Liebe, Freude"! Mit großer Sensibilität setzt Christian Karl diese Begriffe in feine, lebhafte und herzliche Musik um. Dieser junge Organist könnte einmal in einem Atemzug genannt werden mit Helmut Walcha, Rosalinde Haas oder Edgar Krapp.

Quelle: Lauterbacher Anzeiger, "Klarheit, Klang und Schönheit: Lauterbacher Vokalensemble singt in der Stadtkirche", 15.11.2018  [zum Artikel]

Vokalensemble
Foto: Lutz Habekost

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